Die Bundesregierung hat zur Belebung von Konsum und Wirtschaft eine Senkung der Mehrwertsteuer um 3 % von 1. Juli bis zum Jahresende 2020 beschlossen. Die aufgrund der von der Coronakrise verursachten, wirtschaftlichen Schäden sollen so im Zusammenspiel mit weiteren Maßnahmen abgefedert und die Konjunktur belebt werden. Allerdings gefällt diese Regelung der deutschen Bauwirtschaft nicht besonders. Bei einer Anhörung im Bundestag kommentierte Reinhard Quast (Präsident des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes ZDB) es so, dass wohl niemand ein Haus bauen wird, nur weil die Mehrwertsteuer 3 % geringer ist. Stattdessen bedeute die Regelung aber, dass ein unnützer Mehraufwand bei der Bürokratie entstehen wird, verbunden mit entsprechenden Kosten. Grundsätzlich werde die Bauwirtschaft zusehen, dass die Mehrwertsteuer bei den bisherigen 19 % belassen werden kann, soweit dies gesetzlich möglich ist – also z. B. bei laufenden Projekten und solchen, die bis zum 30.06. beginnen. Da die Regelung ab Juli für Neuprojekte aber verbindlich ist, bleibt die Hoffnung, dass bei zwischen 1.7. und 31.12.2020 begonnenen Projekten ein kurzfristiger Impuls für Bauherren entsteht, aufgrund der 3 % Ersparnis ggf. ein Vorhaben vorzuziehen. Diese Hoffnung allerdings wird mit einem hohen Preis bezahlt.
Schwieriger Prozess bei der Berechnung wegen langer Laufzeiten
Die Schwierigkeit für die Baubranche liegt insbesondere in der Tatsache, dass eine erhebliche Zahl von Projekten zwar zwischen Juli und Dezember 2020 begonnen werden wird, aber die Laufzeiten meist weit über den Dezember 2020 hinausgehen. Somit müssten aufwändige, zeitpunktabhängige Leistungsfeststellungen erbracht werden, damit genau im besagten Zeitraum erbrachte Leistungen mit der reduzierten Mehrwertsteuer und darüberhinausgehende Leistungszeiträume wieder mit 19 % abgerechnet werden können. Eine Art „Inventur“, die sowohl Ende Juni als auch Ende Dezember vollzogen werden müsste. Der Aufwand für solche Leistungen bleibt dann am jeweiligen Unternehmen hängen, was bei neuen Projekten dann wieder entsprechend einkalkuliert werden muss. Zudem bietet dieses Vorgehen ein höheres Streitpotenzial mit den Bauherren, da entsprechende Abschlagszahlungen und Abrechnungen dann entsprechend gestaltet werden müssten. Alles in allem also kaum ein Einsparpotenzial und eher ärgerlich für beide Seiten – Auftragnehmer und Auftraggeber. Reinhard Quast appellierte an die Politik, eine für die Bauwirtschaft besser praktikable und weniger bürokratische Lösung zu finden. Dies könnte beispielsweise so erfolgen, dass die Bauwirtschaft temporär aus den Regelungen zur Mehrwertsteuer entlassen wird und der geringere Mehrwertsteuersatz für zwischen Juli und Dezember begonnene aber länger dauernde Projekte grundsätzlich anzuwenden ist. Hier kann der Baubeginn dann zeitlich begrenzt werden. Die Baubranche ist sicherlich nicht die einzige Branche, die mit den neuen, temporären Mehrwertsteuerregelungen unzufrieden ist. Die Wirksamkeit hinsichtlich einer Konjunkturbelebung ist in vielen Bereichen fraglich und erweckt den Eindruck eines nicht nachhaltig überlegten Schnellschusses. Natürlich ist die Politik gerade mit den schnell zu treffenden Entscheidungen der letzten Wochen nicht gerade zu beneiden, doch wirksame Maßnahmen zu einer konjunkturellen Belebung könnten im Vorfeld auch mit den Schlüsselbranchen in Deutschland besser abgestimmt werden.
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