Immer mehr Kreditinstitute verlangen Strafzinsen, auch von Bestandskunden. Nach Commerzbank und Postbank hat die größte deutsche Direktbank – die ING Deutschland - nun ebenfalls angekündigt, ab November Negativzinsen in Höhe von 0,5 % für Einlagen ab 50.000 Euro zu verlangen – und dies auch von Bestandskunden. Das Kreditinstitut verzeichnet einen Kundenbestand von etwa 9 Millionen und ist damit die größte deutsche Direktbank. So erfolgreich geworden ist das Unternehmen noch unter dem bisherigen Namen ING-DiBa mit seinerzeit sehr attraktiven Guthabenzinsen auf Tagesgelder – doch nach und nach muss nun auch die ING Deutschland dem Marktdruck nachgeben. Bisher lag die Grenze für die Erhebung der sogenannten „Verwahrgebühr“ noch bei 100.000 Euro und wurde nur von Neukunden erhoben. Erst im Jahr 2020 wurden überhaupt Kontoführungsgebühren eingeführt – bis dahin waren die Konten sogar komplett kostenlos.
Geschäftsbanken zahlen ebenfalls Negativzinsen an die EZB
Die Geschäftsbanken in Deutschland zahlen für die bei der Europäischen Zentralbank (EZB) deponierten Einlagen ebenfalls Negativzinsen, die sie nun in immer größerem Maße auch an ihre Kunden weitergeben. ING-Deutschland-Chef Nick Jue erklärt, dass die Gewinne aus dem Produktportfolio der Bank aktuell nicht mehr ausreichen, um die negativen Zinseffekte zu decken. Daher folge man nun der Strategie, auch die eigenen Kunden mit Negativzinsen belasten zu müssen, wenn bestimmte Beträge überstiegen werden. Zudem fließen bei Kreditinstituten, die keine Negativzinsen erheben immer mehr Einlagen zu, weil Kunden Strafzinszahlungen bei anderen Banken umgehen wollen. Dem will sich die ING nicht aussetzen. Das Problem: Die Einlagen übersteigen bei Weitem die Kreditnachfrage – somit fallen auch für die Bank immer mehr negative Zinszahlungen an.
Nicht wenige Kunden akzeptieren das neue Modell
Mittlerweile geben mehr als 400 deutsche Banken Negativzinsen an Ihre Kundschaft weiter – davon kamen allein in diesem Jahr ca. 150 Kreditinstitute dazu. Bis noch vor Kurzem haben viele Banken schlicht die AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) geändert und so diese Negativzinsen eingeführt. Etwa 40 % der Kunden haben dies nach Branchenangaben stillschweigend akzeptiert. Aktuell gibt es jedoch ein neues Urteil durch den Bundesgerichtshof, welcher eine aktive Zustimmung der Kunden für derlei Änderungen erforderlich macht. Dementsprechend gibt die ING ihren Kunden ausreichend Zeit, denn für Bestandskunden fällt das Verwahrentgelt erst ab November dieses Jahres an – bei Neukunden allerdings gilt dieses ab sofort. Aktuell wären ca. 750.000 Kunden der ING betroffen – diese werden in den kommenden Wochen entsprechend angeschrieben und um Zustimmung zu den neuen Regelungen aufgerufen. Bei Nicht-Zustimmung könnte schlimmstenfalls die Kündigung der Kontoverbindung drohen.
Banken möchten ihre Kunden zum Wertpapiergeschäft führen
Der ING wie auch vielen anderen Kreditinstituten wäre es lieb und recht, wenn ihre Kunden die vorhandenen Guthaben nicht als Betrag auf dem Konto stehen lassen, sondern den Gegenwert als Wertpapiere zeichnen würden. Um hier einen zusätzlichen (neben den gesparten Verwahrentgelten) Anreiz zu schaffen, hat z. B. die ING seit April 700 Fonds bzw. Indexfonds sowie alle monatlichen Sparpläne von den Gebühren für den Kauf befreit. Auch wurden die Beratungsressourcen gesteigert. Seit dem 1. Quartal 2021 ist dementsprechend die Anzahl der Wertpapierdepots um ca. 100.000 gestiegen. Allerdings ist die Wertentwicklung von Aktien und ähnlichen Wertpapieren stark von der Marktentwicklung abhängig – und diese hat in den letzten 12 Jahren stark angezogen. Die großen Indices wie Dax oder Nasdaq notieren nahe ihrer Rekordmarken. Dieser ungewöhnlich lange Aufschwung muss nicht ewig anhalten – ein Rückgang der Kurse würde dann die in Aktien angelegten Gelder ebenfalls schmelzen lassen.
Bild©AdobeStock_magele-picture