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Nach Angaben der Kreditgenossenschaft Creditreform gelten derzeit ca. 6,7 Millionen Bundesbürger als überschuldet. Überraschenderweise kommen diese nicht nur aus sozial schwachen Schichten. Zu viele Menschen übernehmen sich bei neuen Anschaffungen oder kaufen sich Dinge, die nicht unbedingt notwendig sind. Obwohl in Deutschland derzeit eine relativ günstige Jobsituation herrscht, treiben niedrige Zinsen den Konsum nach oben. Kommen mögliche Notsituationen persönlicher Art – wie z. B. Scheidung, Arbeitsplatzverlust oder Tod eines Angehörigen – hinzu, so bedeutet dies für viele Menschen den Verlust der finanziellen Freiheit.

Welche Einflussfaktoren bestimmen das Konsumverhalten?

Aktuell herrscht eine positive Stimmung bei den Verbrauchern: Wenig Sorgen um den Arbeitsplatz und niedrige Kreditzinsen für Immobilienfinanzierungen oder Anschaffungskredite fördern die Konsumbereitschaft in hohem Maß. Mit über 224 Milliarden Euro Volumen sind die Bundesbürger derzeit deshalb auch in Konsumentenkrediten engagiert, das sind über 2 Milliarden mehr als noch ein Jahr zuvor. Doch im Vergleich zu früher sind es heute nicht mehr die zu geringen Einkünfte, welche die Überschuldung hauptsächlich bedingen – vielmehr sind viele Menschen in Deutschland aktuell nicht in der Lage, trotz gestiegener Einkommen ausreichende Rücklagen für später zu bilden. Konsum ist möglich und wird genutzt, weil er schnell und günstig zu realisieren ist. Die schnelle Wunscherfüllung führt nicht selten zu Ausgaben, die eigentlich bei einer finanziellen Gesamtbetrachtung der individuellen Situation so nicht ratsam sind. Viele Menschen schaffen es schlicht nicht, den Überblick über die eigene, finanzielle Situation zu bewahren. Im Gegenteil – die scheinbar günstige Verschuldungsmöglichkeit zur Anschaffung kleiner und größerer Dinge trifft aufgrund der eigentlich allgemein guten Einkommenssituation auf fruchtbaren Boden.

Konsum wird öffentlich beworben

Neben der reinen Werbung wird die Konsumfreudigkeit auch als Lifestyle gern öffentlich zelebriert. Shoppingshows, Internethandel und Co. steigern die Bereitschaft der Konsumenten, Ausgaben zu tätigen. Irrationales Kaufverhalten wird als einer der Hauptgründe für die derzeitige Überschuldungssituation genannt – die Betroffenenzahl ist laut Creditreform allein in diesem Jahr um ca. 30.000 Fälle gewachsen. Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen, dass aktuell in 11,5 % aller Fälle die „unwirtschaftliche Haushaltsführung“ der wichtigste Grund für Zahlungsschwierigkeiten ist. Dabei trifft dieser Grund nicht nur auf einkommensschwache oder sozial benachteiligte Schichten zu – vielmehr zieht er sich wie ein roter Faden durch alle Bevölkerungsschichten.

Wer ist besonders betroffen?

Der Überschuldungsreport des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen (IFF) zeigt auf, dass sich offensichtlich zunehmend gut verdienende Paare in einen Kaufrausch flüchten. Gerade hier wird deutlich, dass es schlicht ein Kontrollverlust ist, der in vielen Fällen zur Überschuldung führt. Dabei ist es als alarmierend zu betrachten, dass die durchschnittliche Überschuldung mit zunehmendem Alter noch ansteigt: Kinderlose Paare über 65 Jahre sind durchschnittlich 3-mal höher verschuldet als ihren jüngeren Pendants. Doch auch bei Paaren mit Kindern sieht die Situation ziemlich bedrückend aus: Gutverdiener mit Monatseinkünften zwischen 3.600 und 5.000 Euro aus dieser Zielgruppe sind im Durchschnitt mit 102.000 Euro je Haushalt verschuldet. Gerade hier ist ein schlechtes Konsumverhalten zu etwa 30 % der Hauptgrund für die negative Situation. Bei alleinerziehenden Frauen ist eine negative Finanzsituation meist auf die fehlende Unterstützung aus der Familie zurückzuführen – hierbei kommen oft der Verlust des Arbeitsplatzes, Scheidung oder gesundheitliche Probleme hinzu.

Wie geht es weiter?

Die Marktforscher der Nielsen-Gruppe haben in ihrem letzten Stimmungsbericht ein 10-Jahres-Hoch für das Verbrauchervertrauen in Deutschland festgestellt. Der private Konsum ist mittlerweile zu einer wichtigen Säule der deutschen Wirtschaft avanciert und nur wenige Menschen haben existenzielle Ängste. Die Wirtschaftsleistung wächst entsprechend – allein im dritten Quartal 2015 um 0,3 %. Natürlich trifft das unkontrollierte Konsumverhalten nicht auf jeden zu – es ist aber nach aktueller Lage eher nicht davon auszugehen, dass die gefährdeten Haushalte sich in den kommenden Monaten merklich reduzieren werden, weil das Kontrollverhalten sich verbessert. Im Moment sieht es eher so aus, als setze sich die Entwicklung weiterhin fort. Bild© Gina Sanders